Zarte Außenseitergeschichte über ein Mädchen mit feuerroten Haaren

Die kleine Lili lebt in einem Dorf – und mit ihr die feuerroten Haare, die sie auf dem Kopf trägt. Diese Haare sind nicht nur rot wie Feuer, sondern auch genauso heiß – sie verbrennen alles, das sie berühren. Dadurch ist Lili ihrer Familie eine große Hilfe, sie hilft so ihrer Mutter beim Kochen oder wärmt ihren Eltern an kalten Wintertagen die Füße. Doch die anderen Dorfbewohner*innen sind über Lilis Haarpracht nicht ganz so glücklich, denn sie richtet auch einigen Schaden damit an.

Aus Versehen zündet sie zum Trocknen aufgehängte Wäsche, Springseile oder gar Schafe an und hat es dadurch schwer, Freunde im Dorf zu finden. So verbringt sie ihre Zeit allein.

Doch eines Tages trifft sie bei einem ihrer Streifzüge durch den Wald ein paar verängstigte Dorfkinder, die sich verirrt haben. Lili vertreibt mit ihren Feuerhaaren einen Wolf, leuchtet allen den Weg nach Hause – und ist in der Dorfgemeinschaft angekommen.

Lili ist das Debüt der Illustratorin Wen Dee Tan, die dafür 2013 den 3. Platz des Macmillan Prize gewann. Ihre kleine Lili ist wunderbar zart und hüpft scheinbar wie auf Federn mit ihren feuerroten Haaren durch ihr Dorf und ihre Welt. Das gefällt mir wirklich ausgesprochen gut.

Einziger Wermutstropfen: Warum muss Lili erst ein paar Kinder aus dem dunklen Wald retten, damit die Dorfbewohner*innen erkennen, dass ihre feuerroten Haare auch etwas Gutes an sich haben? Und das geht ja nicht nur Lili so, in Kinderbüchern über Außenseiter*innen geschieht es ganz häufig, dass sich die Person, die anders als alle anderen ist, zunächst beweisen muss, um am Ende dann von allen akzeptiert werden zu können.

Wir haben hier zum Beispiel Eduard, der Elefant im Regal stehen, der wegen seines zu langen Rüssels von den anderen Elefanten aufgezogen und gemieden wird, bis er mit besagtem Rüssel einem Königssohn das Leben rettet und mit Ruhm und Ehre in sein Dorf zurückkehrt. Und auch der rote Wolf wird erst akzeptiert, weil er den blauen Wölfen das Pfeifen beibringt.

Die Idealistin in mir ruft: „Kann das nicht auch anders gehen, können alle, die anders sind, nicht von vorneherein und trotzdem (Trotz was?) geliebt werden?“, woraufhin die Pragmatikerin in mir kurz mit den Schultern zuckt und sagt: „Tja, die Menschen sind halt so…“

Wen Dee Tan: Lili (Übersetzung: Denise Mallon). ábac Verlag 2017, ab vier Jahren, 14,95 €.

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4 Antworten zu „Irgendwie anders: Lili”.

  1. Avatar von Bücher gegen Vorurteile: Frida Vogelnest – Juli liest

    […] Seiten zuvor noch ärgern, durch irgendeine Integrationsleistung erkauft hätte (wie zum Beispiel Lili, deren Haare übrigens […]

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  2. Avatar von Irgendwie anders: Larry Lemming – Juli liest

    […] wiederfinden, deshalb muss es auch so viele dieser Bücher geben. Für den einen ist es vielleicht die rothaarige Lili, für die andere die eigenbrötlerische Frida und Ältere fühlen sich von dem kleingewachsenen […]

    Like

  3. Avatar von Buchperlenblog

    Guten Morgen! 🙂
    Eine ganz wunderbare Vorstellung streicht sich über die eigenen roten Haare
    Ja, wie du ganz am Schluss selbst sagst: „Menschen sind halt so.“ So schade das ist. Denn dann wären die Außenseiter auch keine Außenseiter mehr und müssten keine Abenteuer mehr erleben oder Dinge tun, die den anderen zeigen: hey, der ist ja doch ganz normal. Und dann hätten wir aber vllt weniger Geschichten, aus denen wir genau diese Dinge lernen können. 🙂

    Ganz liebe Grüße!
    Gabriela

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    1. Avatar von Juli

      Ja, ich frage mich auch: Wer war zuerst da, das Huhn oder das Ei – sind die Geschichten so, weil die Menschen so sind, oder wären die Menschen anders, wenn die Geschichten anders wären? 😉
      Ich wünsche dir einen tollen Tag – mit tollen Menschen! 😊

      Gefällt 1 Person

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