Ein Bilderbuch über Arbeitslosigkeit
Mama ist heute mutlos und verzweifelt nach Hause gekommen. Sie sagt, sie habe ihre Arbeit verloren.
Königin für eine Nacht, Kunstanstifter
So beginnt das Bilderbuch Königin für eine Nacht und geht damit direkt in die Vollen.

Bis zu diesem Tag lebten die Tannenbaums – Mutter, Vater und drei Kinder – ein schönes, urbanes, modernes Leben. Vater Tannenbaum ist Erzieher (Das ist sein Traumberuf. Doch leider verdient er damit wenig Geld.), Mutter Tannenbaum ist Biologin. Vermutlich vor der Geburt ihrer Kinder erforschte sie Giftfrösche und Vampirfledermäuse am Amazonas, die letzten Jahre arbeitete sie in einem Biologiezentrum. Doch das ist jetzt vorbei, weil ihr Kollege so lange an ihrem Sessel gesägt habe, bis er ihre Arbeit bekommen hat.
Ganz schön harter Tobak auf den ersten drei Seiten: Jobverlust, Gehälterungerechtigkeit und Mobbing unter Kollegen. Erwachsenenthemen. In einem Bilderbuch. Finde ich gut.

Als ich mich vor etwa zwei Jahren auf Jobsuche begab und während dieser Zeit allerlei erlebte, kam ich nicht nur einmal extrem schlecht gelaunt nach Hause. Natürlich war da die Angst vor finanziellen Einbußen und die Furcht vor ellenlangen Anträgen und Gesprächen beim Arbeitsamt. Doch ebenso schwer wogen auch die Wut über mangelnde Anerkennung meiner Fähigkeiten und die Verzweiflung darüber, als hochqualifierte Frau (und aber auch Mutter!) nicht als solche behandelt zu werden. Zukunftsangst par excellence.
Darüber sollte man Zuhause sprechen. Vorbei sind die Zeiten, an denen Vati abends schlecht gelaunt nach Hause kam, sich hinter Zeitung oder Fernseher verschanzte und die ganze Familie nicht wusste, was los war, aber schon, dass jetzt alle besonders leise sein mussten (allen, die die Dokumentation noch nicht gesehen haben, empfehle ich Kulenkampffs Schuhe).
Und genau da setzt Leonora Leitls Bilderbuch an: Sie konzentriert sich weniger auf die finanzielle Situation (der Sommerurlaub wird gestrichen, Kino findet ab sofort Zuhause statt), sondern widmet sich der Stimmung von Roberta Tannenbaum, die sich nutzlos und leer und vom Arbeitsamt unverstanden fühlt.
Irgendwann kann die Familie Mamas Lethargie nicht mehr mitansehen: Warum machst du dir nicht selbst eine Arbeit? Und so wird’s gemacht. Alle packen mit an und in Opas alter Werkstatt entsteht die Gärtnerei Tannenbaum. Das letzte Geld wird in Setzlinge und Saattütchen und in ein Eröffnungsfest, bei dem die Kinder sich mit Süßigkeiten und verbotener Cola den Magen vollhauen, investiert.

Und dann blüht auch noch die Selenicerus grandiflorus auf, die Königin der Nacht und Mamas Lieblingspflanze – Happy End. Und das muss auch so sein.
Königin für eine Nacht ist sehr modern und sehr akademisch und bildet gewiss nicht das gesamte Sprektrum von Jobverlust und Arbeitslosigkeit ab – aber einen nicht unwichtigen Teil davon. Es zeigt moderne Strukturen, in denen sich viele lesende Familien wiederfinden werden und hilft dabei zu verstehen, warum Mama wieder einmal zwar schick und geschminkt, jedoch auch sehr schlecht gelaunt „von einem wichtigen Termin“ kommt… Auch das ist das Leben. Wie schön, dass es in die Bilderbuchwelt Einzug erhält!
Leonora Leitl: Königin für eine Nacht. Kunstanstifter 2019, ab 5 Jahren, 20,00€.