Trockenland – Regenland
Ein spannendes und innovatives Wendebuch über die großen Themen Klima, Zusammenhalt und Migration
Bevor ich loslege, muss ich mich, glaube ich, erstmal beim 360 Grad Verlag dafür entschuldigen, dass es mit mir manchmal so kompliziert erscheint. Wahrscheinlich denken sie da gerade „Was will sie denn jetzt schon wieder!?“ – es ist nämlich so, dass ich Trockenland Regenland beziehungsweise Regenland Trockenland mal wieder nicht auf Anhieb einordnen konnte. Und nun folgt, wie schon bei Die Mauer, eine etwas ausführlichere Rezension. Also wie immer, wenn ich ein Bilderbuch nicht beim ersten Lesen verstanden habe. Soll ja vorkommen mit Ende 30 und abgeschlossenem Literaturwissenschaftsstudium! 😉
Als ich dieses Wendebilderbuch in der Herbstvorschau entdeckte, hatte ich eine feste Meinung darüber im Kopf. Michael Engler hat zwei Geschichten geschrieben, eine über den Jungen Lamar, der vor dem Regen flieht, und eine über das Mädchen Neneh, das auf der Suche nach Wasser ist. In der Mitte des Buches treffen beide Geschichten und Kinder aufeinander, illustriert wird das Ganze von Joëlle Tourlonias (Neneh) und Jan Birk (Lamar). Der Untertitel von Regenland Trockenland lautet Eine Geschichte von heute – für heute und morgen! und ich weiß nicht, wie es Euch geht, doch ich hatte nur anhand dieser Informationen schon ein ziemlich vorgefertigtes Bild der Geschichte im Kopf. Und dann wurde ich irgendwie überrascht.

Es ist nämlich so, dass Neneh am Ende der beiden Geschichten gerettet wird, weil Lamar eine Regenwolke über sich hat, die ihm überall hin folgt – auch in die Wüste. Dort treffen die beiden Kinder aufeinander und die Regenwolke lässt einen kleinen See entstehen. Und mit genau dieser Regenwolke hatte ich zunächst so meine Probleme, weil ich dachte: „Hä? Klimakatastrophe und Dürre lassen sich doch nicht bekämpfen, indem jemand eine Regenwolke mit sich trägt!?“
Nein, natürlich nicht. So platt ist Regenland Trockenland nicht.
Lamar („vom Meer kommend“) und sein Huhn Dolores („die Schmerzreiche“) fliehen vor dem Regen. Dieser nervt und drückt auf die Stimmung und gerade hier in Norddeutschland, wo der Winter aus monatelangem Regen und grauen Wolken besteht, kann man verstehen, dass die beiden in den Süden und Sonne tanken möchten – aber richtig in Gefahr sind Lamar und Dolores nicht wirklich. Erschöpft ja, aber lebensbedrohlich ist der Dauerregen nicht.
Das ist bei Neneh („große Mutter“) und dem ihr stets folgenden Wüstenfuchs Farouk („jemand, der richtig und falsch unterscheiden kann“) anders: Tagelang irren die beiden durch die Wüste auf der Suche nach Wasser. Schließlich legt Neneh sich müde und ausgetrocknet schlafen und erwacht zum Glück neben neben Lamar und frischem Wasser – die (Vor-)Leserinnen können aufatmen.
Was will uns dieses Buch also sagen, wenn nicht, dass man mit einer Regenwolke über dem Kopf nach Afrika rudern und dadurch den Kontinent vor Dürre retten kann?
Dass genau das eben nicht möglich ist. Während wir uns aufmachen um dem schlechten Wetter zu entfliehen, sorgt der Klimawandel auf anderen Kontinenten dafür, dass die Menschen dort tatsächlich flüchten müssen.
Dass wir zusammenhalten müssen, nicht nur als Freunde wie Lamar und Dolores und Neneh und Farouk, sondern als Bewohner*innen dieser Erde.
Und dass wir nur so eine Chance haben. Heute und morgen!
Michael Engler, Joëlle Tourlonias, Jan Birk: Regenland Trockenland. 360 Grad Verlag, ab 6 Jahren, 18,00 €.