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Über Elternbücher, Rike, mich und das allgemeine Gewurschtel

Also… tiefes Einatmen… Ich muss ein wenig ausholen.

In der Regel lese ich keine Elternbücher und nur sehr wenige Elternblogs. Man mag mir das als Arroganz auslegen, als eine Attitüde, ohnehin alles besser zu wissen und sich keinen Rat einholen zu müssen. Stimmt so nicht.

Gefühlt weiß ich so wenig über Kinder und Erziehung, dass ich neulich fast umfiel, als eine Mutter nach einem Gespräch über Fernsehen/Hausaufgaben/Süßigkeiten/Mediennutzung zu mir sagte: „Wow, du hast ja voll das Konzept, hast du noch mehr Tipps für mich?“ Ich!?! Tipps!?! Nie im Leben würde es mir einfallen, dass ich für jemanden die richtige Anlaufstelle in Sachen Tipps bei Erziehungsfragen wäre, denn in etwa 90% der Zeit habe ich das Gefühl: Wir wurschteln uns so durch.

Über dieses Durchwurschteln spreche ich dann alle Jubeljahre mal mit mir vertrauten Müttern, häufig am Rande eines Fußballfeldes. Wenn wir ein Problem haben, das über das Gewurschtel hinausgeht (Milchstau/RS-Virus/Schlafprobleme/Klasse überspringen), ziehe ich Expert*innen vor Ort zu Rate (Hebamme/Arzt/Psychologin/Lehrer). Nie würde ich auf die Idee kommen, diese Probleme zu googeln. Und ebenso wenig würde ich auf die Idee kommen, mir Elternforen oder Blogeinträge dazu durchzulesen.

Das ist gar nicht böse gemeint. Ich bin mir sicher, dass sich viele Familienblogger*innen eingehend mit der jeweiligen Thematik beschäftigt haben, Literatur gewälzt und Experten gefragt haben (viele allerdings vielleicht auch nicht). Zu beurteilen, was das Richtige ist, überlasse ich einfach vor allem Menschen, die uns von Angesicht zu Angesicht gegenüber stehen und dadurch die Bedürfnisse meiner Familie vielleicht besser einschätzen können (viele allerdings vielleicht auch nicht). Da muss sich niemand auf den Schlips getreten fühlen.

Deshalb stehen auch kaum Elternratgeber bei uns im Regal (Ja, natürlich einige aus dem ersten Babyjahr von Monsieur 1, keine Frage.) und gar keine humorigen Elternbücher, die mir vor allem durch Prominente, die plötzlich zu Kindern kamen, verleidet wurden (Mich interessiert wirklich nicht, was Collien Ulmen-Fernandez über Mutterschaft denkt.). Warum sollte ich etwas über kotzende Kinder, dissende Krabbelgruppenbekanntschaften, Gespräche am Rande eines Fußballfeldes und das riesengroße Rumgewurtschtel lesen wollen, wenn ich das schließlich selbst seit über acht Jahren erlebe!?

Oh Gott. Wie kriege ich jetzt die Kurve und komme wieder raus aus dieser Nummer? Das war der Teil über Elternbücher und über mich. Kommen wir nun zu Rike.

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Trägt gern graue Sweatshirts: Autorin und Bloggerin Rike Drust (©Gisi Rameken)

Rike Drust aka @muttergefuehle aka infemme.com habe ich vor ein paar Monaten im Internet getroffen und ich bin ein bisschen froh und ein bisschen traurig, dass ich sie erst jetzt kennengelernt habe. Froh, weil ich sonst vermutlich nicht diesen Blog gestartet hätte, weil es bereits jemanden im Internet gibt, der meine Ansichten vertritt. Traurig, weil ich mich ja schon viel länger mit jemandem hätte austauschen können, der meine Ansichten vertritt (Hallo Filterblase!).

Rike hat die wunderbare Aktion #liesdasafd gestartet, ist derselben Meinung wie ich, dass Kinderbücher ein bisschen mehr können müssen als Conni geht in den Kindergarten und schrieb ehrlich und nachvollziehbar über ihre Gedanken zur Bundestagswahl. Mein Herz im Sturm erobert hat sie mit Früher schneller weiter: Kinder mit älteren Geschwistern. Ich habe in diesem Jahr über nichts Geschriebenes so sehr gelacht wie über diesen Text!

Wie es der Zufall wollte, erschien zur selben Zeit Rikes Buch Muttergefühle. Zwei. Muttergefühle (Eins) hatte ich natürlich nicht gelesen (siehe oben), doch da Rike mein Herz ja innerhalb kürzester Zeit nur durch ihre Texte erobert hatte, machte ich eine Ausnahme und las ihr Buch (das klingt jetzt etwas gnädiger als es gemeint ist).

Mittlerweile habe ich die wunderbare Rike, wie man so schön unter Bloggern sagt, sogar persönlich kennengelernt. Im Zug nach Hamburg las ich ihr Buch und plötzlich stand sie bei Carlsen vor mir – und zumindest von meiner Seite fühlte es sich so an, als würden wir einfach da weitermachen, wo wir im Internet aufgehört hatten (das klingt jetzt etwas nach Dating Portal).

Deshalb kann ich Euch Muttergefühle. Zwei natürlich nicht unvoreingenommen vorstellen: Ich finde Rike wunderbar, ich finde ihren Blog wunderbar und ich finde auch ihr Buch wunderbar. Denn das Buch ist wie ihr Blog: witzig und ungeschönt, für mich die beste Mischung, die es gibt.

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Muttergefühle. Zwei

Rike schreibt in ihrem zweiten Buch – natürlich – über das Leben als zweifache Mutter. Dieses ganze Gewurtschtel, das man so als Familie durchlebt (die zweite Schwangerschaft, die kaum noch jemanden interessiert, Fernsehgewohnheiten und Medienerziehung, das riesige Thema Vereinbarkeit, das eigene Kopfkino, Erziehung, …), findet Platz in Muttergefühle. Zwei – inklusive mehrerer Kapitel über Elternratgeber, Erziehungskonzepte und Tipps auf Familienblogs: Rike geht da einen anderen Weg als ich – sie sucht sich einfach von allem das beste aus. Ey Rike, guter Tipp! 😉

Und auch sonst hat sie gute Ratschläge auf Lager. Fernab von jeglichem Dogmatismus erzählt Rike unverblümt, wie sie und ihr Mann das mit dem Familienwahnsinn so handhaben, ganz ohne Anspruch auf Alleinherrschaft der einzig wahren Erziehungsweisheit: Probleme und Herausforderungen werden angesprochen, analysiert und im Bestfall gelöst.

Dabei schafft Rike es, dass man sehr oft lachen muss, sie ist aber auch bei manchen Punkten so schonungslos ehrlich, dass mir die Tränen kamen, weil ich genau dasselbe durchlebt habe (das gilt jetzt vor allem für den ersten Band; dieses Gefühl der schockierten Überforderung, das man als Erstmutter verspürt, wird offenbar nie wieder ganz verschwinden).

Vielleicht muss ich mein Verhältnis zu Elternbüchern noch einmal überdenken. Ich reihe Muttergefühle ein in mein Regal neben Aus Liebe zum Wahnsinn von Georg Cadeggianini und Stresst Ihr noch oder liebt ihr schon? von Alexa Hennig von Lange und Marcus Jauer und freue mich darüber, dass es so coole Eltern gibt, die ihr eigenes Kleinklein nicht überbewerten, aber doch gewuppt kriegen wollen. Eltern, die Fehler eingestehen, authentisch sind und erzählen, wie sie für sich den besten Lösungsweg gefunden haben, ohne zu erwarten, dass man als Leser einen riesigen Fehler begeht, wenn man einen anderen Weg nimmt.

Dank Muttergefühle weiß ich, dass es doch sehr erleichternd sein kann, von dem Gewurschtel der anderen zu lesen – wenn darüber so schön geschrieben wird wie von Rike Drust! ❤

Rike Drust: Muttergefühle. Zwei. C. Bertelsmann 2017, 15,00 €.


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