Aufmerksame Leser*innen werden es bereits gemerkt oder zumindest erahnt haben: Hinter diesem gepflegten, kulturell und literarisch höchst anspruchsvollem Bild einer lesenden Mutter verbirgt sich noch eine ganz andere Seite von mir – die Soccermom. Was natürlich bedeutet, dass ich jeden Sonntag Heidi Klum-mäßig mit Campingstuhl, Sonnenbrille und Kokosnusswasser am Spielfeldrand sitze.
Nein, das heißt es natürlich nicht. Meistens stehe ich in einer Multifunktionsjacke, aber frierend auf irgendeinem zugigen Fußballplatz oder sitze schwitzend in einer Halle. Immer renne ich hinter Monsieur 3 her, damit dieser nicht aufs Spielfeld rennt und einen Ball ins Gesicht bekommt.
Dass meine ältesten Söhne passionierte Fußballspieler sind, bringt mich mehrmals im Monat an meine logistischen und körperlichen Grenzen. Die Messieurs 1 und 2 haben insgesamt viermal pro Woche Training, Monsieur 1 hat jedes Wochenende ein Punktspiel, wie wir das ab Herbst mit den zukünftigen Punktspielen von Monsieur 2 kombinieren sollen, ist mir bisher noch ein Rätsel. Und Monsieur 3 steckt natürlich bereits in den Startlöchern: „Boball pielen!“ und „Naldo“ gehörten zu seinen ersten zwanzig Wörtern.
Mütter, die auf Tore starren
Soll ich ansonsten nochmal etwas über die Wäscheberge oder die Gespräche am Spielfeldrand erzählen, die so eine Sportart mit sich bringt? Oder darüber, dass seit der Europameisterschaft 2016 europäische Fußballer Ideengeber bei unseren Friseurbesuchen sind? Fragt gern nach, wenn es Euch interessiert…
So, wie kriege ich jetzt die Kurve, bevor die ersten laut schreien, dass ich das ja alles nicht für meine Söhne machen müsste, wenn es mich so nervt?
Trotz all der Widrigkeiten mache ich das gerne gehört Fußball zu unserem (Familien-) Leben und seit kurzem bin ich dafür sogar ein kleines bisschen dankbar. Denn Fußball zeigt mir neuerdings immer wieder Situationen, in denen mein Mutterherz vor Stolz überläuft – und ich spreche hier natürlich nicht von Torchancen oder schnellen Pässen.
Seit diesem Frühjahr besuchen wir an den Tagen, an denen wir (!) kein Training haben, einen Spielplatz mit angrenzendem Fußballplatz. Das ist praktisch, weil die beiden Großen für die nächsten zwei Stunden dorthin verschwinden und Monsieur 3 auf dem Spielplatz auch auf seine Kosten kommt. Neben Spielplatz und Fußballplatz gibt es dort auch noch einen Jugendtreff, was bedeutet, dass der Fußballplatz meist von „großen Jungs“ bespielt wird.
Jede Woche gehen wir also dorthin. Jede Woche bleiben meine beiden großen Messieurs erst einmal am Spielfeldrand stehen und gucken. Jede Woche fangen sie dann irgendwann an, ihren Ball ein bisschen hin und her zu kicken. Jede Woche fragen sie nach etwa fünfzehn Minuten, ob sie mitspielen dürfen. Jede Woche müssen sie dann nach der bejahenden Antwort hören „Ihr nehmt die beiden Kleinen, die sind ja wie einer!“. Jede Woche müssen sie die erste halbe Stunde über das Feld rennen, ohne dass jemand sie anspielt. Jede Woche erjagen sie sich den Ball aufs Neue. Und jede Woche hören sie plötzlich jemanden sagen: „Die beiden Kleinen sind ja gut!“. Jede Woche.
Ich beaufsichtige derweil Monsieur 3 und stehe innerlich kopfschüttelnd daneben, manchmal blutet mein Mutterherz während der ersten drei Schritte dieses beinahe routinierten Ablaufs. Doch die Messieurs sind da offenbar weiter als ich, sie ziehen dieses Bolzplatz-Ritual konsequent durch, jede Woche. Und wenn wir dann beim letzten Schritt angekommen sind, dann läuft mein Herz über vor Mutterstolz.
Nicht, weil die anderen sie gut finden (naja, ein bisschen schon), sondern, weil sie sich immer wieder trauen. Weil sie sich nicht unterkriegen lassen und einfach Fußball spielen wollen. Und weil sie auf sich vertrauen, jede Woche. Ich hätte das damals mit sechs, sieben Jahren niemals geschafft.
Woran immer es auch liegen mag – an ihrem Charakter, an ihrer Erziehung, an ihren Genen, am Fußballtraining -, wenn das dabei herauskommt, dann bin ich gern eine Soccermom. Bringt mir noch ein paar Trikots, ich wasch die gern!