Von einem Marder, der vielleicht einfach nur nach Hause wollte

In einer großen Stadt, ganz in der Nähe des Hafens, lebt ein Zorilla. Die Leute wissen nicht, wann und woher er gekommen ist und halten ihn für extrem merkwürdig: Der Marder verlässt sein Haus erst nach Sonnenuntergang mit hochgestelltem Mantelkragen und neuerdings kauft er ganz seltsame Dinge wie Nägel, Scharniere und schwere Ketten. Die Leute gruseln sich sehr vor dem Zorilla und durch das ständige über ihn Reden wird es nicht besser:
Es wurde das Schlimmste befürchtet: Die Ratten malten sich aus, wie er eine Kiste baute, um sie darin einzusperren und im Hafenbecken zu versenken.
Ganz ehrlich? Warum sollte er? Der Zorilla kennt die Ratten vermutlich noch nicht einmal und abgesehen davon, ist er viel zu sehr mit der Erfüllung seiner Träume beschäftigt.

Anstatt nur über den Zorilla zu sprechen und sich in die eigenen Ängste zu fantasieren, hätten die Tiere zwei Möglichkeiten gehabt. Erstens: Lesen. Zum Beispiel auf Wikipedia, dort lernt man, dass Zorillas nachtaktive Marder sind, die in allen afrikanischen Ländern südlich der Sahara als Einzelgänger leben – außerhalb der Paarungszeit meiden sie jeglichen Kontakt zu Artgenossen und anderen Tieren. Damit wären mehrere Verhaltensweisen des Zorillas eigentlich schon geklärt.
Die Tiere hätten aber auch noch eine zweite Möglichkeit gehabt, den Zorilla besser kennenzulernen: mit ihm sprechen. Und davon handelt der zweite Teil des Bilderbuches, dieser zeigt, was der Zorilla während alle Tiere über ihn redeten, tatsächlich gemacht hat: getanzt, geträumt und sich eine riesige Flaschenpost gebaut, mit der er gen Süden schippert – denn dem letzten Bild nach zu urteilen, ist Paarungszeit! 😉

Es stand also gar nichts Grauenhaftes bevor – so eine Überraschung! Der Zorilla hat einfach in seiner eigenbrötlerischen, nachtaktiven Art etwas gebaut um seinen Traum zu erfüllen. Mich erinnert Zorilla ein wenig an Die sechs Langbärte, auch hier fällt immer wieder der Satz: „Die Langbärte konnten doch nichts Gutes im Sinn haben!“ (obwohl sie einfach nur Geburtstagsgeschenke kaufen) und die Frage, die sich stellt, ist natürlich: Wieso denn eigentlich nicht?
Zorilla erinnert uns Erwachsene daran, nicht immer das Schlimmste anzunehmen, wenn wir auf Unbekanntes stoßen und es lehrt Kinder eben das – und diese haben tollerweise die Chance, von Anfang an zu lernen, dass man erstmal lesen oder fragen soll, bevor man sich in Vorurteilen verliert.
Jutta Bücker. Zorilla. Kunstanstifter Verlag 2019, ab 4 Jahren, 20,00 €.