Davon, wie Schneewittchens Enkel in die Berge wollen und alles schiefgeht
Und da haben wir auch schon wieder so ein Buch, das ich allen Kritiker*innen, die Rollenvielfalt in aktuellen Kinderbüchern vermissen, vor die Nase halten möchte, damit sie auch ja nicht daran vorbeigehen können!

Vor den 7 Bergen erzählt die Geschichte von Schneewittchens Tochter und ihren sieben Kindern. Einen Herrn Schneewittchen gibt es nicht, die Mutter ist alleinerziehend und ernährt ihre Kinder, indem sie an einem Marktstand die Äpfel des Bauern verkauft.
Den sieben – sehr gewitzten – Kindern geht es im Winter ebenso wie uns auch: Fehlender Schnee, Regen und schlechtes Wetter drücken auf die Stimmung und so beschließen sie, zu Oma in die Berge zu fahren, denn dort liegt bekanntlich immer Schnee!

Gesagt, getan! Per Skype fragen sie Oma, ob ihr ein Besuch recht ist und als Mama zurück von der Arbeit kommt, wird sie vor vollendete Tatsachen gestellt: Einem Besuch in den Bergen steht nichts mehr im Wege! Oder doch…?
Als alles gepackt ist, bekommen die Zwillinge plötzlich Fieber und am nächsten Tag haben alle die Windpocken! Der Besuch in den Bergen wird auf den Herbst verschoben, doch da fährt plötzlich der Bauer mit vier Wagen voller Äpfel vor und sagt, dass diese verkauft werden müssen – Mama muss arbeiten, anstatt in den Urlaub zu fahren! Also wird der Oma-Besuch erneut verschoben, und zwar auf die Winterferien.
Als es endlich so weit ist, wird alles gepackt, was eine achtköpfige Familie so braucht für einen Skiurlaub, doch dann… macht Mamas Auto einen Riesenknall und fährt nicht mehr weiter. Muss die Reise jetzt schon wieder verschoben werden?
Nein! Denn Bo, der Eisverkäufer, taucht auf und kann die Familie abschleppen. Und wenn sie nicht gestorben sind, fahren die sieben Kinder jetzt noch immer Ski und Schlitten auf Oma Schneewittchens Berg und wärmen sich zwischendurch Apfelkuchen essend am Kamin – während Mama und Bo, der spontan mitgekommen ist, gemütlich auf einer Holzbank sitzen und ihnen zusehen.

Ja, mir ist schon klar, dass das alles etwas märchenhaft ist – eine alleinerziehende Mutter mit sieben Kindern, die auf dem Markt arbeitet während ihre Kinder sich selbst beaufsichtigen und die dann mittels Winterschal von einem Eisverkäufer abgeschleppt wird – aber wieso auch nicht?!
Wenn Märchen eines sein dürfen, dann doch wohl märchenhaft. Und wenn sie eine Prinzessin zeigen, die ihr Leben und das ihrer Kinder allein gewuppt bekommt, und einen Eisverkäufer, der keine arme Frau, sondern nur einen Familienurlaub rettet, dann gefällt mir das ausgesprochen gut. Und auch die Widrigkeiten wurden sehr schön an das 21. Jahrhundert angepasst: Windpocken, Wutanfall und blöde Arbeitszeiten statt böser Stiefmutter, Wolf und Feenzauber – das kennen wir doch alle, oder?
„Neue Märchen braucht das Land!“ hatte Dana Eckardt auf Edition F gefordert: Bitte sehr, hier ist schon einmal das erste!
Mareike Engelke, Annette Feldmann: Vor den 7 Bergen. Kunstanstifter Verlag 2017, ab vier Jahren, 22,00 €.