Ayse Bosse, Andreas Klammt, Bilderbuch, Tod, Haustier, Trauer, trauern, vorlesen, ab 4, Kind mit Behinderung

Über den Umgang mit dem Tod

Das Leben könnte man ja quasi in einem Satz zusammenfassen: Irgendwas ist immer. Von der Corona-Zeit einmal ganz abgesehen, erfährt man in jedem Gespräch mit Kolleg*innen oder Freund*innen von den kleinen und großen Dramen des Alltags, von der gefährdeten Versetzung über Krankheiten oder Streit in der Familie bis hin zu großen Belastungen wie Trennung oder Tod. Dabei läuft das leider alles nicht geordnet nacheinander ab; wir können nicht erstmal Urlaub machen und uns dann den schweren Themen widmen, wir können nicht ausgiebig trauern und uns dann um unsere Kinder kümmern. Alles läuft parallel und chaotisch neben-, über- und untereinander ab und das kann ganz schön anstrengend sein.

Im Kinderbuch laufen die schwierigen Themen dagegen in der Regel sehr geordnet ab, vermutlich aus der Angst heraus, Kinder zu überfordern. Und so geht es häufig auf Kosten der Diversität, wenn in Bilderbüchern Trennung, Tod oder Krankheit thematisiert werden. Der Tod kommt dort eher selten zu einer Alleinerziehenden, Krankheit wird in der heilen und meist weißen Mutter-Vater-Kind-Familie er- und überlebt – für Nebenstränge ist da wenig Platz. Und auch sonst folgt alles einem Plan: Alle Beteiligten verhalten sich sozusagen mustergültig und arbeiten das Problem geordnet nach und nach ab, ungestört von äußeren Einflüssen.

Warum ich darüber so lange schreibe? Weil ich ein wenig brauchte, um zu verstehen, warum ich Ganz schön traurig von Ayşe Bosse und Andreas Klammt als so angenehm beim Vorlesen und so wohlig nach der letzten Seite empfand.

Ayse Bosse, Andreas Klammt, Bilderbuch, Tod, Haustier, Trauer, trauern, vorlesen, ab 4, Kind mit Behinderung
Ganz schön traurig, Carlsen 2022

In das Leben des neunjährigen Björn und seiner Familie platzt der Tod mit voller Wucht. Gerade möchte er noch Klassensprecher werden und ein Handy haben und ärgert sich, dass er auf seinen kleinen Bruder Maik so oft Rücksicht nehmen muss, weil dieser eine Behinderung hat, da stirbt sein geliebtes Kaninchen Yoda. Daraufhin folgt ein zunächst sehr klassischer Trauerprozess, der allerdings bereits durch Maiks Verhalten nicht ganz so geordnet verläuft, wie wir es sonst in Bilderbüchern kennen. Nach der Beerdigung von Yoda könnte das Buch also eigentlich auch vorbei sein, doch die Geschichte geht noch weiter – weil das Leben nun einmal so ist, wie es ist.

Mama fährt mit den beiden Brüdern zum Bauernhof um ein neues Kaninchen zu kaufen, obwohl Björn gar kein neues möchte. Dort entdeckt Maik ein kleines, schwaches Meerschweinchen, das er unbedingt mit nach Hause nehmen will. Obwohl Bäuerin und Mutter wissen, dass das Meerschweinchen nicht lange leben wird, können sie Maik seinen Wunsch nicht abschlagen. Und so lebt Herkules für zwei Tage bei Maik und Björn, bis schließlich auch er stirbt und beerdigt werden muss.

Wir nehmen uns alle in den Arm. Maik und ich weinen. Um Herkules und um Yoda. Und fühlen uns ganz nah zusammen. Obwohl wir traurig sind, ist irgendwie auch alles gut.

Ganz schön traurig, Carlsen 2022

Ein Familienmitglied mit einer Behinderung, Fehlentscheidungen von Eltern und dann ist da ja auch noch die Wahl zum Klassensprecher – that’s life, oder? Alles läuft neben-, unter- und durcheinander und dazwischen kann auch noch der Tod an die Tür klopfen, während das Leben einfach so weitergeht. Ich glaube nicht, dass man Kinder damit überfordert – denn auch sie lernen jeden Tag aufs Neue, wieviele Ereignisse parallel passieren können.

Ganz schön traurig fängt auf das Schönste ein, dass das Leben immer weitergeht und leider nicht einfach anhält wenn etwas Dramatisches geschieht – und Krankheit, Tod und Trauer deshalb als ein Teil dieses Lebens akzeptiert und verarbeitet werden müssen.

Ayşe Bosse, Andreas Klammt: Ganz schön traurig. Carlsen 2022, ab 4 Jahren, 14,00 Euro (Leseprobe).


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Eine Antwort zu „Ganz schön traurig”.

  1. Avatar von Mark

    Nein, man überfordert Kinder damit nicht. Sie wollen wissen, verstehen und etwas tun. „Trauerarbeit“. Nur manche Erwachsene sind mit ihren eigenen Gefühlen überfordert. Dabei sind Gefühle nicht bedrohlich, sondern wichtig und gehören nun mal zu uns.

    Herzlichst.

    Gefällt 1 Person

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