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Spaß am Lernen: Interview mit Bildungsexpertin Béa Beste

Eine Themenwoche rund um Zeugnisse, Schule, Lernen und wie man den Spaß daran nicht verliert

Am Freitag gibt es Halbjahreszeugnisse – wie sieht es bei Euch aus? Zittert Ihr schon oder womöglich auch Eure Kinder? Oder nehmt Ihr Schule, Zensuren und alles, was dazugehört, nicht so wichtig?

In dieser Woche beschäftige ich mich mit dem Thema Lernen mit all seinen Facetten. Ich stelle natürlich Bücher vor, die Freude machen und ich habe mir zwei Bildungsexpertinnen dazu geholt, die uns ein wenig darüber erzählen, wie man seine Kinder dabei unterstützt, die angeborene Neugier und den daraus resultierenden Spaß am Lernen nicht frühzeitig zu verlieren.

Den Anfang macht Béa Beste, vielen im Netz als @Tollabea bekannt. Auf ihrem Kreativitätsblog zeigt sie mit ihrem Team viele tolla Ideen, die ich schon häufig nachgemacht habe. Gleichzeitig bezieht sie aber auch zu sehr ernsten Themen Stellung und gibt außerdem häufig Tipps, wie Kinder den Spaß am Lernen nicht verlieren. Denn die studierte Wirtschaftsingenieurin ist auch Bildungsexpertin: 2005 gründete sie mit einem Team die bilingualen Phorms Schulen, ab 2011 reiste sie durch Indien, Australien, Indonesien und die USA auf sogenannter Bildungsexpedition und brachte von dieser viele neue Ideen mit, die sie heute noch umsetzt.

Tollabea, Tollabox

Bildungsexpertin, Bloggerin, Schulgründerin und noch vieles mehr: Béa Beste

Ich freue mich, dass Béa trotz ihrer vielen Projekte die Zeit gefunden hat, mir ein Interview zu geben, das vielen Eltern und Schülern Mut machen wird, die vielleicht mit etwas gerunzelter Stirn auf das Zeugnis blicken, das jetzt vor ihnen liegt.

Im Januar gibt es Halbjahreszeugnisse und bei dem ein oder anderen fällt es vielleicht nicht ganz so gut aus – wie sollte man jetzt als Eltern reagieren?

Cool bleiben. Kontraproduktiv sind: Predigen, Sorgen ausbreiten, Bestrafen, Schimpfen, Austicken… Ganz sicher. Das bringt kleine und große Kinder auf die Hinterpfoten und in eine Rechtfertigungshaltung.

Viel besser: Zeugnis anschauen und erst nach dem Lichtblick suchen. Jetzt Schritt für Schritt von der Bestnote zur schlechtesten kommentieren: „Mensch, eine 1 in Sport, wow!“ Das erwartet der Nachwuchs nicht. „Und Musik ist auch super mit einer 2, was meinst du, hilft der Klavierunterricht?“ So kommt man ins Gespräch. Dann nach und nach die schlechteren Noten mal in Augenschein nehmen, aber möglichst wenig vorwurfsvoll. „Was meinst du bei der 5 in Deutsch, wie kommt das?“

Jetzt bitte Zeit nehmen und zuhören! Kann sein, dass der Betroffene nur einsilbig reagiert. Geduld jetzt, kein Verhörszenario bitte! Abwarten. Kaffee holen. Aushalten. Darf das Kind zum Spielen gehen? Hm, nein, eine Antwort hätten wir schon gern als Eltern. Kann aber erst morgen sein. Vor allem: „Gibt es etwas in diesem Fach, was du gern können würdest, ich meine… so richtig drauf haben?“. Das könnte die richtige Diskussion sein. Und jetzt ist es vielleicht auch ratsam, mal so etwas loszulassen: „Ich liebe dich mit guten oder schlechten Noten! Aber ich glaube, es lebt sich in der Schule echt besser mit guten Noten… Doch du musst sie schon selbst wollen.“

Was ich meine ist: Eigentlich bin ich kein Fan von Noten und ich arbeite derzeit konkret daran im Rahmen eines Bildungsprojektes, das System langfristig davon zu befreien. Aber noch funktioniert das System damit – je mehr wir die Kids in die Lage versetzen, dies als ein Spiel zu sehen und ohne Druck da rein zu gehen, desto leichter wird es ihnen fallen.

Am meisten halte ich davon, wenn Eltern mit dem Nachwuchs in eine konstruktive Diskussion kommen: Was möchte das Kind können und warum? Und wie kommt man dahin? Denn vielleicht wollen ja die Kinder korrekt schreiben und richtig rechnen, oder? Aber doch nicht für die doofe Note, sondern für sich! Und es ist immer besser, das Selbstvertrauen des Kindes dabei nicht zu zerstören: Es muss sich bedingungslos geliebt fühlen und auch stark, es muss fühlen, dass es geschätzt wird!

Gibt es jetzt noch die Möglichkeit, „die Kurve zu kriegen“?

Ja, klar, aber nur wenn das Kind an sich selbst glaubt… Gegen den Willen des Kindes ist es nicht so produktiv. Meine Tochter war in der 7. Klasse und hatte eine 4 in Geschichte, weil: „Langweilig“. Als ich mit ihr eine Diskussion hatte (siehe oben), sagte sie: „Mama, ich beweis dir, dass ich das kann. Wenn ich will, komme ich auf eine 2.“ Ich gab mich skeptisch. Sie wollte den Beweis antreten und schaffte es. „Ich bin doch nicht doof!“, war ihr Kommentar, als sie mir das nächste Zeugnis zeigte.

Wie schafft man es, dass Kinder in den vielen Jahren, die sie in der Schule verbringen, die Lust am Lernen nicht verlieren ?

… als Eltern

Tja, am besten mit der richtigen Schule, die dies fördert und lebt… Anders ist es zwar nicht unmöglich, aber sehr schwer. Diesen Artikel habe ich bezogen auf Hausaufgaben geschrieben, aber die „Klug & Faul – Strategie“ kann man eigentlich auf das ganze Prinzip Schule anwenden.

… als Lehrer

Oh, für diese Frage kann ich mich sehr begeistern! Ich glaube, dass viele Lehrer eigentlich anders wollen, sich aber vom System, dem Druck der Kollegen und der „Das muss so sein“-Mentalität viel zu sehr beeinflussen lassen. Gerade die Beamten würde ich am liebsten zu Kreativität, Ungehorsam und Ausbrechen aus Regeln ermuntern: Wenn sie keine silbernen Löffel dabei klauen, was kann ihnen schlimmstenfalls passieren? Schimpfe und böse Briefe? Na, das würde ich für gutes Lernen durchaus riskieren…

Wie war deine eigene Schulzeit? Hat dich jemand oder etwas geprägt, dass du auch heute noch so viel Spaß am Lernen hast?

Meine Schulzeit war grundsätzlich okay, ich hatte andere Probleme, zum Beispiel eine Grundschullehrerin, die viel von körperlicher Züchtigung hielt. In der 3. Klasse habe ich zurückgehauen, was mir viel Street Credibility brachte, aber eine 4. Klasse mit ihr aus der Hölle.

Am meisten geprägt hat es mich, dass ich mit 15 Jahren als Vollwaise nach Deutschland kam. Eigentlich hätte ich mich nach dem Verlust meiner Eltern absolut schlecht fühlen müssen. Aber: Ich musste die Sprache lernen, die Kultur verstehen. Das hat mein Gehirn so auf Trab gehalten, dass ich vergessen habe, mir leid zu tun. Diese Erfahrung habe ich im Leben immer wieder gemacht. Wenn ich lerne, und Fortschritte mache, kann es mir nicht schlecht gehen!

Liebe Béa, vielen Dank für das Interview (beim nächten Mal dann vielleicht zum Thema Resilienz 😉 ) und viel Erfolg bei Deinen anstehenden Projekten!

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