„Und was liest du so?“ mit Nilz Bokelberg
Autoren, Illustratoren und Sprecher stellen ihr Lieblingskinderbuch vor
So, meine lieben Freunde, die Ihr wie ich konsequent auf die Vierzig zugeht, jetzt wird mal schön in Erinnerungen geschwelgt:
Es war 1994 (nicht einmal die Freundin war also schon weg um sich zu bräunen), ich war 13 Jahre alt und meine beste Freundin riesiger Fritten und Bier-Fan (Jana, wenn Du das liest: Herzliche Grüße, auch an die Kinder!), also hörten wir natürlich jeden Tag mehrmals die Maxi-Single (!) Afrika und guckten VIVA mit Nilz Bokelberg.
Dieser war damals wie heute vier Jahre älter als wir und ist deshalb gestern tatsächlich schon vierzig Jahre alt geworden. Anlässlich dieser magischen Zahl hat er das getan, was viele ältere Männer tun: Sie schreiben ein Buch. Tristesse Renesse heißt das Werk und Nilz Bokelberg erzählt darin von seiner Interrail-Tour durch Europa. An die Orte seiner Kindheit. Im November. Genau die richtige Atmosphäre, um ohne iPad und Telefon über die eigene Kindheit, das Reisen und das Leben ganz allgemein nachzudenken und sich die große Frage zu stellen: „Hab ich alles erreicht, was man in diesem Alter erreicht haben muss?“
Lieber Nilz Bokelberg, herzlichen Glückwunsch zum Vierzigsten und vielen Dank für den Beitrag über die liebsten Kinderbücher! [Wie alt man tatsächlich ist, merkt man übrigens auch daran, dass Lieblingsbücher nur noch antiquarisch zu haben sind…]
„Ich soll mein liebstes Kinderbuch nennen? Oh je, wo fang ich an und noch viel wichtiger: Wo hör ich auf? Ich hab schon früh lesen gelernt. Und Bücher regelrecht verschlungen. Aber klar, natürlich habe ich es auch geliebt, wenn meine Mutter mir eines der vielen schönen Bilderbücher zum Einschlafen vorgelesen hat. Einer meiner großen Favoriten war Der Baum, der Vogel und der Junge.

Der Baum, der Vogel und der Junge. Sauerländer 1976
Darin ging es um einen Jungen, der sich mit einem Baum anfreundet, der mit einem Vogel in seinem Geäst im Wald lebt. Erst lernt der Junge die anderen Bäume kennen, dann lädt er alle zu sich in die Stadt ein. Unten, sozusagen Downtown, ist viel Verkehr, viele Menschen arbeiten, haben keine Zeit, aber sie freuen sich total, als sie die Bäume sehen. Oben auf dem Hügel, wo die reichen Leute leben, gibt es ganz viel grün, aber die Menschen dort wollen das alles in geordneten Bahnen verläuft, auch das Wachstum der Bäume. Der Junge, der Baum und der Vogel zetteln eine Revolution an und die Bäume gehen alle runter in die Stadt, wo man sich noch über sie freut.
Was für ein tolles Buch über Gerechtigkeit. Ich hatte ein wenig Angst vor der Zeichnung des Baumes, aber irgendwie hat sich mich auch fasziniert. Viele Regennachmittage lag ich bäuchlings auf dem braunen Teppich in meinem Kinderzimmer und hab mir fasziniert die Illustrationen angesehen. Schon diese Riesennase des Baumes. Wahnsinn.
Selbst gelesen hab ich irrsinnig gerne Pitje Puck. Und Ivan kommt groß raus, heute besser bekannt als Gummitarzan, ein irrsinnig lustiges Buch über einen dünnen Jungen.

Der kleine Vampir, Rowohlt 1979
Ich hab damals auch Der kleine Vampir gelesen, wobei es das dort erwähnte Parfum „Mufti Eleganti“ auch in den normalen Sprachschatz meiner Familie geschafft hat, wenn mal jemand verschwitzt oder überparfümiert zur Tür reinkam.
Als meine Tochter in einem Alter war, in dem sie schon Interesse an komplexeren Geschichten hatte, habe ich auch angefangen, mit ihr die Geschichten vom kleinen Vampir zu lesen. Dabei war mir nicht bewusst, wie viele Bände es mittlerweile davon gibt, ganze zwanzig! Aber wir haben sie alle gelesen, abends zum ins Bett gehen und morgens, wenn ich sie mit der Bahn zur Schule gebracht hab – übrigens oft zur Freude der Mitreisenden, die uns immer lächelnd zunickten, woraufhin ich wieder etwas leiser las.
Das Kinderbuch, bei dem ich mir am meisten gewünscht hätte, es selbst als Kind gehabt zu haben, war Schlag mich auf, ich bin ein Hund! von Maus-Schöpfer Art Spiegelman. Ein Buch mit Leine, welches einem auf jeder Seite schlüssig versucht zu beweisen, dass es eigentlich ein verzauberter Hund ist – wie kann man das nicht lieben?
Ach, und das sei noch dringend erwähnt: Die Bücher, bei denen ich beim Vorlesen vor lachen abbrechen musste – was nicht schlimm war, da meine Tochter auch laut lachend im Bett lag – sind die Geschichten aus Bad Dreckskaff von Philip Ardagh.
Leider sind nur ein paar Bände in Deutschland erschienen, genial übersetzt von Harry Rowohlt. Diese Bücher sind so unverschämt lustig und lustig unverschämt – genauso wie ein tolles Kinderbuch sein muss. Da konnten sich Papa und Tochter die Lachtränen gegenseitig aus dem Gesicht wischen. So stelle ich mir tolle Kinderbücher vor. Als ich Kind war, war das Als die Autos rückwärts fuhren von Henning Venske. Was als Hörspiel fast noch ein bisschen besser ist, aber das gehört nun wirklich nicht hier hin.
Ich könnte noch ewig so weitermachen, aber hier hör ich einfach auf. Irgendwann muss man ja auch mal schlafen. Lustigerweise habe ich das manchmal, nach anstrengenden Tagen, noch vor meiner Tochter mitten beim Vorlesen geschafft. Da wurde ich dann mit einem wundervollen, neugierigen, und unbedingt wissen wollen wie es weitergeht-Tonfall geweckt, der einfach nur fragte: „Papa?“ Und meine Augen gingen auf und die Geschichte sofort weiter.“
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